Ausländerbeirat Integration Soziales

Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigranten verhindern Integration

von Magda Cichy

Magda Cichy ist Offenbacherin, stammt aus Polen und unterrichtet seit 20 Jahren Deutsch als Fremdsprache in Offenbach. Sie wird auf unserer Liste für die Ausländerbeiratswahlen am 14. März 2021 kandidieren. Den Spracherwerb hält sie für die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. In diesem Beitrag erläutert sie Schwierigkeiten, die sehr viele Arbeitsmigranten haben und die vielen Offenbachern und Offenbacherinnen gar nicht bewusst sind.

58,5 der Offenbacher Nichtdeutschen sind EU- Ausländer, 7,5 % kommen aus Polen Die meisten von ihnen sind in den letzten Jahren aus ökonomischen Gründen nach Deutschland gekommen. [Statistik der Stadt Offenbach] Laut Gesetz dürfen sich in Deutschland nur die EU-Ausländer dauerhaft aufhalten, die einer beruflichen Tätigkeit  nachgehen, bzw. ihre Familienmitglieder (Familienzusammenführung).

Die Männer arbeiten meistens in der Baubranche, als LKW- Fahrer  oder als Möbelschlepper, die Frauen sind überwiegend in Pflegeberufen oder als Reinigungskräfte beschäftigt. Angeworben werden sie oft in Polen über Facebook. Die anwerbenden Firmen werden oft ebenfalls von Polen geleitet oder haben polnische Vorarbeiter, die als Dolmetscher fungieren. Oft stellt der Arbeitgeber eine Unterkunft zur Verfügung. Es handelt sich um Sammelunterkünfte, in denen 2-3 Personen in einem Zimmer untergebracht werden. Dafür werden 250 bis 300 € vom Gehalt abgezogen. Die meisten dieser Arbeitsmigranten beherrschen weder Deutsch, noch haben sie irgendwelche Kenntnisse des deutschen Arbeitsrechts. Dies wird auf eine schamlose Weise von den Arbeitgebern ausgenutzt. Überstunden werden oft nicht bezahlt, Lohnabrechnungen sind nicht korrekt usw. Bezahlt wird meistens der Mindestlohn. Oft werden die Arbeitsverträge in den Heimatländer abgeschlossen, die Mitarbeiter werden dann für drei Monate nach Deutschland geschickt, was als Dienstreise bezeichnet wird. Auf diese Weise werden die Sozialabgaben in Deutschland umgegangen.

Leider haben diese Personen keine Chance, ihre Situation zu verbessern, denn dazu müssten sie Sprachkenntnisse erwerben. Da die meisten von morgens bis abends arbeiten, oft in Schichtarbeit, haben sie keine Möglichkeit einen Deutschkurs zu besuchen. Theoretisch steht ihnen ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilfinanzierter Integrationskurs zu. Kosten: 400,00 € pro 100 Unterrichtseinheiten, Dauer: 600 Unterrichtseinheiten.

Praktisch ist der Besuch eines Integrationskurses jedoch nicht möglich. Zum einen erlaubt es ihnen die Arbeitssituation nicht, zum anderen werden Teilzeitkurse am Abend oder an den Wochenenden von den Bildungsträgern nicht angeboten. Die hohe Abbruchquote aufgrund der prekären Arbeits- und Lebensbelastungen sowie finanziellen Gründe machen solche Kurse für die Träger unattraktiv. Hinzu kommt ein hoher bürokratischer Aufwand, der genauso hoch ist wie bei Vollzeitkursen.

Viele Arbeitgeber unterstützen ihre Mitarbeiter beim Deutschlernen nicht, denn es ist für sie unerwünscht, dass diese mündiger werden. Eine Freistellung von der Arbeit für einen Deutschkurs, z. B. an zwei Nachmittagen, kommt für die Arbeitgeber in der Regel nicht infrage. 

Da es sich oft um qualifizierte Personen handelt, deren Berufsausbildungen hier nicht anerkannt werden, wenn sie nicht mindestens über Deutschkenntnisse auf dem B1-Niveau verfügen, geht somit viel Potenzial dabei verloren. So arbeiten viele ausgebildete Krankenschwestern in Pflegediensten als Pflegehelferinnen, weil Ihre Ausbildung nicht anerkannt wird. Sie benötigen für ihre Anerkennung B1-Deutschkenntnisse mit Pflegewortschatz.. Meistens umfasst die Arbeit 12-Stunden-Wechelschichten (07:00 bis 19:00 Uhr oder 19:00 bis 07:00 Uhr). Da kommen ausserdem weder Vormittags- noch Nachmittagskurse infrage.

Auch in der Branche gibt es keine Chance auf Unterstützung durch die Arbeitgeber. So arbeiten in Deutschland viele ausgebildete Kräfte weit unter ihren Möglichkeiten in prekären Verhältnissen und bezahlen Steuern, von denen teilweise Deutschkurse finanziert werden für Personen, die nicht berufstätig sind.

Da ich selbst aus Polen komme und meinen Landsleuten oft beratend zur Seite stehe, ist mir ihre Situation bekannt. Es betrifft jedoch gleichermaßen Mitbürgerinnen aus Rumänien, Kroatien, Bulgarien, Griechenland und Serbien. Wenn man jedoch bedenkt, wie viele Menschen aus den oben genannten Ländern in Offenbach leben, merkt man schnell, dass es  sich um eine sehr große Gruppe von EU-Mitbürgern handelt.

Den meisten Leuten ist diese prekäre und auch auswegslose Situation ihrer Mitbürger und Mitbürgerinnnen nicht bewusst.

Wir wollen uns darum bemühen, die Situation unserer Mitmenschen zu verbessern. Es ist wichtig, zu verstehen, wie diese Situation entstanden ist und welche Interessen dabei eine Rolle spielen. Die Stadt darf nicht wegschauen, sondern sollte mit den Betroffenen reden, um zu verstehen, welche Maßnahmen die Situation verbessern könnten.

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