Offenbach Soziales

Der Basar der Jobsuchenden

Hier kommt eine kleine Geschichte aus dem derzeitigen prallen Leben. So widerfahren einem Offenbacher in diesen Tagen, die nicht nur coronageprägt, aber sicher eine dumme Zeit sind, um nach Arbeit suchen zu müssen. Uns Piraten ist die Problematik bewußt und wir erleben sie jeden Tag auch hautnah mit.

Carl Henrik Eriksen berichtet.

Der Basar der Jobsuchenden
von Carl Henrik Eriksen

Jobsuche in Zeiten von Corona. Während draussen die Pandemie grassiert, war ich neulich bei einem Vorstellungsgespräch für einen Job im Luftfahrtbereich. Was ich da erlebt habe, das war etwas, dass ich so überhaupt nicht vermutet hatte. Viel zu schade, um es hier nicht zu teilen.

Ich dachte, das Vorstellungsgespräch würde in einem persönlichen Rahmen stattfinden. So wie man sich eben ein Vorstellungsgespräch vorstellt, zu dem man eingeladen wurde. Der Bewerber kommt, mit ordentlichem Haarschnitt und ordentlicher Geschäftskleidung, und wird von seinem Gesprächspartner empfangen. Wie konnte ich mich doch irren. Da stand ich nun mit meiner Aktentasche. Ich und mit mir etwa 40 weitere Bewerber wurden zum selben Termin eingeladen. Nach dem Warten in einer Cafeteria wurden alle in eine Halle geführt. Die Rolltore waren wegen der Lüftung geöffnet und das Hygienekonzept war soweit einwandfrei eingehalten.

Zunächst wurde eine kurze Präsentation durch die Geschäftsführerin gehalten. Unter den Teilnehmern waren viele ausländische Menschen, die nach Arbeit suchten und hofften einen Job für sich und ihre Familie zu ergattern. Angeboten wurde Arbeit in Festanstellung bei der Firma, die am Flughafen Frankfurt in den Bereichen Luftfracht, Sicherheit und Dokumentation als Dienstleister arbeitet.

Es wurden auch die Rahmenbedingungen für die Jobs ausführlich erläutert: befristeter Arbeitsvertrag (1 Jahr, Möglichkeit zur Entfristung, also glänzende Perspektiven), sechs Monate Probezeit, Schichtarbeit (Früh, Spät, Nacht), 22 Schichten im Monat, Zuschläge für Nacht-, Sonntags-, Feiertagsarbeit und Überstunden (darf ein Unternehmen ja anordnen), Jobticket (auch privat nutzbar) für die Fahrt zum Arbeitsplatz am Flughafen.

Während der Präsentation sprach die Geschäftsführerin im entspannten Ton über die Deutschen als „Kartoffeln“. „Sie wissen ja, wie das hier bei uns Kartoffeln ist“. Vielleicht wollte die Managerin einen kleinen Witz machen für die anwesenden Ausländer. Ich fand den Schenkelklopfer nicht so lustig, sondern diskriminierend. Hinzukam dieses unangehme Fremdschämen.

Am liebsten hätte die Geschäftsführerin die Bewerber gleich zur Spätschicht zum Flughafen geschickt. „Aber da wären ja noch die Formalien, die eben in Deutschland existieren“. Nach der Präsentation gab es dann also doch persönliche Einzelgespräche, die an zwei kleinen Tischen, 2 m voneinander getrennt, unter dem geöffneten Rolltor im herbstlichem Luftzug stattfanden. Die Bewerber standen in einer Schlange an und konnten mithören, was jeweils mit dem jeweiligen Bewerber vor ihnen besprochen wurde. Zukünftige Kollegen haben doch voreinander nichts zu verbergen. Der Datenschutz schien sich jedenfalls beim Corona-Stoßlüften irgendwie mit verabschiedet zu haben.

Die Bewerber konnten sich für einen Job aus den drei präsentierten Bereichen entscheiden. Bei Eignung, die durch die Mitarbeiterinnen der Human-Resources-Abteilung des Unternehmens in einer Art Schnellverfahren entschieden wurde, wurde den arbeitslosen Bewerbern erklärt, dass sie beim Arbeitsamt einen Bildungsgutschein beantragen könnten. Mit diesem könnte dann ein Kurs belegt werden, um die erforderliche Vor-Qualifizierung, die für einen Job am Flughafen notwendig sei, erworben werden. Das war schon ganz interessant, denn die Firma bietet praktischerweise auch solche Kurse zur Qualifizierung an, so dass man nicht weit laufen musste.

Irgendwann war ich dann an der Reihe. Beim Einzelgespräch am Tisch habe ich der Dame von Human Resources gesagt, dass ich etwas ganz anderes erwartet hätte, nämlich ein doch mehr persönliches Vorstellungsgespräch, in dem meine Qualifikationen und die ausgeschriebene Position erörtert würden. Auch hätte ich die Einhaltung des persönlichen Datenschutzes erwartet, was irgendwie nur sehr schwer einzuhalten gewesen war, wenn hinter einem die nächsten Bewerber stünden.

Die Dame sagte, sie könne das verstehen und dass sie meine Bewerbung noch mal der Geschäftsführung vorlegen und dass sie sich in der nächsten Woche bei mir melden werde. „Ihren Lebenslauf haben wir ja, richtig?“

Anscheinend hatte die Firma meinen Lebenslauf noch gar nicht gelesen.

Nach der Veranstaltung habe ich mich an der Bushaltestelle mit einem anderen Bewerber unterhalten.

„Na, das ist wohl auch nichts für Sie gewesen“, meinte der Mitbewerber, der sich auf eine Stellenausschreibung als kaufmännischer Sachbearbeiter beworben hatte.

„Nun ja“, antwortete ich, „ich gebe Ihnen Recht. Meinen Job wähle ich auch nicht gerne auf einem Basar aus.“

Jetzt, zwei Wochen nach meinem Termin, warte ich selbstverständlich immer noch auf eine Antwort des Unternehmens. In den diversen Jobportalen habe ich die ausgeschriebene Stelle erneut gefunden. Jetzt inseriert das Unternehmen unter dem Namen ihrer Holding, die unter der selben Adresse firmiert.

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